"Verteilte Wissensarbeit" war Diskussionsthema des "Multi Media Readers" in der Wochenzeitung "Computerwelt", erschienen am 23. April 2004. Hier folgt der dem Diskussionsbeitrag von factline zugrundeliegende Originaltext:
Information und Wissen sind der Motor der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Im Mittelpunkt des Interesses stehen der Wissensarbeiter und seine Fähigkeit, aktuelle Problemstellungen rasch zu lösen. Die Einbindung in organisationsübergreifende Wissens- und Kompetenznetzwerke (Häufig wird auch von Knowledge Communities, Expertennetzwerken, Communities of Practice oder ähnlichem gesprochen.) spielt dabei
als Unterstützung eine immer wichtigere Rolle.
Das besondere an derartigen Netzwerken sind vor allem die Ausdehnung über den Rahmen einzelner Organisationseinheiten hinaus und die hohe personelle Offenheit und Flexibilität.
Wissens- und Kompetenznetzwerke entstehen nach wie vor überwiegend bei realen Veranstaltungen (Konferenzen, Messen, Seminaren etc.), finden heutzutage allerdings
immer häufiger ihre Fortsetzung und Ergänzung im Rahmen von Communities unter Nutzung virtueller Informations- und Kommunikationsräume. In manchen Fällen findet die
Vernetzung sogar ausschließlich dort statt. Ein ganz neuer Aspekt dabei und in seiner Bedeutung noch selten erkannt ist das Phänomen, dass der Wissensaustausch in
expliziter (schriftlicher) Form stattfindet und damit parallel dazu den Aufbau von Wissens- beständen ermöglicht, die auch von allen anderen Personen im organisations- übergreifenden Netzwerk mitgenutzt werden können.
Unter welchen Bedingungen funktionieren solche Netzwerke?
Das wesentliche Merkmal der verteilten Wissensarbeit ist die Vernetzung von Expertinnen/Experten an verschiedenen Standorten im Rahmen gemeinsamer Projekte oder Themen. Die Kommunikation findet dabei in einer Gruppe von mehreren Personen und nicht zwischen jeweils zwei Wissensarbeiterinnen/Wissensarbeitern (Point to Point) statt.
Weiters ist das Phänomen bedeutend, dass der Anteil an Arbeit, der über die Grenzen einer Organisation hinausgeht (z.B. in Clustern, interdisziplinären Forschungsprojekten, PPPs etc.), sowie die Mobilität von Wissensarbeiterinnen/Wissensarbeitern am Arbeitsmarkt stark im Steigen begriffen ist.
Der erste entscheidende Faktor für das dauerhafte Funktionieren derartiger Netzwerke ist daher, über den Rahmen einzelner Organisationseinheiten hinweg die Möglichkeit zur verteilten Wissensarbeit zu schaffen und personelle Offenheit und Flexibilität zu gewährleisten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist Vertrauen. Dieses ist eine Grundvoraussetzung für die Bereitschaft von Menschen, im Rahmen solcher Netzwerke zum Wissensaustausch etwas beizutragen. Es ist notwendig sowohl gegenüber den Personen, mit denen der Austausch stattfindet, als auch darauf, dass mit dem eingebrachten Wissen in verantwortungsvoller Weise umgegangen wird. Dieses Vertrauen wird in entscheidendem Maß durch ein transparentes Umfeld erreicht.
Um das dauerhafte Funktionieren von Wissensnetzwerken zu gewährleisten, gilt es weiters, jene Wissensbestände nachhaltig nutzbar zu machen, die durch den Wissens- austausch entstehen. Bleibt dieses überwiegend in verschriftlichter, also expliziter Form vorliegende Wissen für die involvierten Wissensarbeiter/-innen als nutzbare Wissensressource verfügbar, erhöht das naturgemäß die Motivation, zum Wissensaustausch aktiv etwas beizutragen.
Entscheidend für den Aufbau einer derartigen gemeinsamen Wissensbasis sind zwei miteinander verwobene Aspekte: die Verknüpfbarkeit von Information (Hypertext) sowie deren verlässliche Verfügbarkeit. Nur unter Beachtung dieser beiden Punkte wird es möglich, Information nachhaltig in eine sich weiterentwickelnde Wissensumgebung einzubinden, und sie auf diese Weise zur nutzbaren Wissensressource zu machen.
Wie kann expliziter Wissensaustausch unterstützt werden?
Die Arbeit in Wissensnetzwerken findet im steigenden Ausmaß im Rahmen von Knowledge- und Learning-Communities statt. Um den expliziten Wissensaustausch zu fördern und damit den Aufbau von Wissensbeständen, die auch von allen anderen Personen im Netzwerk mitgenutzt werden können, zu ermöglichen (siehe oben), bietet sich die Nutzung von virtuellen Wissensplattformen an. Diese stellen einerseits eine Infrastruktur für den Wissensaustausch zu Verfügung, und können andererseits zusätzlich auch als zentraler Wissenspool dienen - im Gegensatz zu E-Mail und anderen Kommunikationsmitteln.
Das Funktionieren einer Knowledge-Community hängt neben der Erfüllung gewisser technischer Voraussetzungen sehr stark von einer sorgsamen Planung ab. Entscheidend dabei ist die Berücksichtigung des Lebenszyklus´ einer Community (Start, laufender Betrieb, Ende), vor allem die richtige Inszenierung des Beginns. Viele Communities scheitern nämlich schon bevor sie mit der virtuellen Wissensarbeit überhaupt begonnen haben.
In Ergänzung dazu haben sich flankierende Maßnahmen wie ausreichende Einschulung auf das verwendete System (sowohl technisch als auch konzeptionell), Verfügbarkeit von Support, Einfachheit der Bedienung und Einbindung in bestehende Prozesse als notwendig erwiesen.
Hinsichtlich technischer Voraussetzungen ist vor allem auf die Möglichkeit zur organisationsübergreifenden Arbeit zu achten, wobei hier Themen wie plattform-
übergreifende Vernetzbarkeit, Flexibilität des Systems bei der Initiierung von Communities etc. im Vordergrund stehen.
Bezüglich notwendiger Funktionalitäten eines Systems kann als Beispiel die Benachrichtigung per E-Mail genannt werden. Diese hat sich als ganz entscheidend für die Verwendung eines Systems herausgestellt, sofern es für Benutzer/-innen möglich ist, sich personalisiert über die letzten Änderungen auf der gesamten Plattform, also über alle Contentbereich hinweg, informieren zu lassen. Sind die Änderungen direkt mittels Links ansteuerbar, müssen Benutzer/-innen nicht mehr aktiv ihre Community-Plattformen besuchen und sich selbständig über Änderungen informieren, sondern werden dort abgeholt, wo sie gewohnheitsmäßig Einblick nehmen, nämlich in ihrer Inbox.
Mag. Paul Meinl
Mag. Max Harnoncourt
Eine für den Drucker geeignete Version des Textes:
Verteilte Wissensarbeit (PDF, 46kB)
|